Zöliakie

Nicht-Zöliakie Glutenintoleranz, Glutensensitivität

Zöliakie

Ursachen

Zöliakie, früher auch unter der Bezeichnung Sprue bekannt, ist eine Autoimmunerkrankung in genetisch prädisponierten Individuen, bei der eine Überempfindlichkeit gegen Gluten besteht. Gluten ist ein Protein, das in Weizen, Roggen und Gerste vorkommt. Ein Proteinteil des Glutens, das Gliadin, wird nicht vollständig verdaut, was zu einer chronischen Entzündung hauptsächlich des Dünndarms führt.

Dieser Vorgang kann durch Faktoren, die die Durchlässigkeit der Darmwand erhöhen (erhöhte intestinale Permeabilität) wie Infektionen noch verschlimmert werden. Stillen über die Zeit der Einführung von Gluten in die Nahrung des Baby’s hinaus kann eventuell das Risiko einer Zöliakie vermindern.

Vorkommen

Etwa 1% der Bevölkerung leiden laut Screening Untersuchungen an Zöliakie, die meisten davon zeigen keine Symptome. Das Risiko, an einer Zöliakie zu erkranken ist höher, wenn ein Verwandter ersten Grades (5-22%) oder zweiten Grades (2-15%) betroffen ist, sowie bei Patienten mit Diabetes Mellitus Typ 1 (2-8%), autoimmuner Schilddrüsenentzündung (2-7%), Lebererkrankung (2-9%), Down Syndrom (5%), Turner Syndrom (6%), unerklärter Unfruchtbarkeit (4%), und besonders bei einer Hauterkrankung namens Dermatitis herpetiformis (100%).

Zöliakie tritt sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen auf.

Inzwischen sind 25% der Patienten mit neu diagnostizierter Zöliakie über 60 Jahre alt.

Symptome

Symptome einer Zöliakie reichen von unspezifischen Anzeichen wie Müdigkeit, Anämie, Osteoporose, Resorptionsstörung von Vitaminen und Mineralien, Anomalien des Zahnschmelzes, Erkrankungen von Haut, Schilddrüse oder Leber, Wachstumsstörungen bei Kindern, mögliche Unfruchtbarkeit oder Fehlgeburten, sowie neurologische Symptomen, bis zu den klassischen Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall oder Verstopfung, Blähungen, vermehrte Darmgeräusche, Bauchschmerzen und –krämpfe, Erbrechen und Gewichtsverlust.

Auch diverse rheumatologische, dermatologische und neurologische Autoimmunerkrankungen, sowie Depressionen werden mit einer Zöliakie in Verbindung gebracht. Bei unsachgemäß behandelter Krankheit tritt Dünndarmkrebs häufiger auf. Über 35% der Patienten, bei denen Zöliakie festgestellt wurde, hatten im Vorfeld die Diagnose eines Reizdarmsyndroms erhalten. Entzündung des Dünndarms aufgrund der Zöliakie ist eine häufige Ursache für die so genannte sekundäre Laktoseintoleranz und/oder Fructoseintoleranz, unerklärbaren Eisenmangel oder Anämie, sowie Osteoporose. Die Zöliakie kann vollkommen beschwerdefrei verlaufen.

Tests und Diagnose

Die Diagnose erfolgt durch Entnahme von Gewebeproben aus dem Dünndarm während einer Endoskopie, sowie durch Bluttests auf bestimmte Antikörper (Anti-Transglutaminase: TG2, anti-Gliadin: DGP, anti-Endomysium: EMA) und genetische Marker. Die diagnostische Abklärung muss vor Beginn einer Gluten-reduzierten Diät bestätigt werden. Im Idealfalle stimmen die Resultate der Blut- und Gewebsproben überein.

Bluttests

Screening für die Zöliakie wird am besten mit IgA Anti-Transglutaminase Antikörpern durchgeführt.

Dieser Test ist genau bei ca. 90% von Patienten, aber es bestehen Unterschiede zwischen den individuellen kommerziellen Tests.

Die Tests sind weniger genau bei milder Erkrankung als bei einer ausgeprägten Zöliakie. IgA anti-Endomysium Antikörper sind ein Alterative, aber die Bestimmung ist wesentlich teurer und komplizierter. Totale IgA Spiegel sollten immer mitbestimmt werden. Anti-Gliadin Antikörper werden nicht mehr verwendet, bis auf die neueste Generation von von deamidierten Gliadinpeptid Tests (α-DGP). Einfache Tests mit Blut aus der Fingerbeere werden verkauft, sind aber zurzeit ungenügend validiert.

Wenn ein Bluttest positiv ist, sollten Dünndarmbiopsien zur Diagnosenbestätigung entnommen werden. Antikörper Blutspiegel werden zur Überwachung der Einhaltung der Gluten-freien Diät verwendet, da sie mit dem Ausmaß der Entzündung im Darm korrelieren.

Wenn die Blut Antikörpertests negativ ausfallen, sind Dünndarmbiopsien zum sicheren Ausschluss einer Zöliakie notwendig.

Genetische Tests

Die genetischen Marker HLA-DQ2.5 und HLA-DQ8 sind sehr eng mit einer Zöliakie assoziiert, da ca. 95% von Zöliakiepatienten positiv sind für HLA-DQ2.5 und 5% haben HLA-DQ8. Negative Marker schließen somit diese Krankheit praktisch aus. Positive Marker jedoch werden auch bei über 40% von nicht betroffenen Personen gefunden und bestätigen deshalb nicht die Diagnose. Ein positiver Gentest muss aus diesem Grunde mit Gewebsproben aus dem Dünndarm bestätigst werden. Da die Häufigkeit der Zöliakie ungefähr 1% beträgt und die Vererbbarkeit ca. 50%, erklären die 40 bekannten nicht-HLA Gene ca. 14% der genetischen Varianz, während die HLA-Gene 40%.der Varianz erklären.

Biopsien

Der Beweis einer Zöliakie erfolgt immer mittels Gewebsproben (Biopsien), außer eventuell bei Kindern.

Bei 6-22% von Patienten mit einer Zöliakie sind die Antikörper im Blut (s.o.) nicht erhöht, weshalb Biopsien zur Diagnose notwendig sind.

Die Pathologen untersuchen die Gewebeproben auf charakteristische Veränderungen, wie eine Abflachung der Zotten, eine Abnahme der Kryptenhöhe im Dünndarm und ein vermehrtes Auftreten bestimmter Entzündungszellen in einem Teil der Schleimhaut. Diese Veränderungen können sehr subtil und schwer zu erkennen sein, manchmal sind sie auch ungleichmäßig über den Dünndarm verteilt, so dass mehrere (mindestens vier, am besten sechs) Biopsien des unteren Zwölffingerdarms empfohlen werden. Sind diese ersten Biopsien nicht eindeutig, kann nach der Aufnahme hoher Glutenmengen über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg eine zweite Biopsiereihe notwendig sein. Manchmal sind Verlaufsendoskopien und Biopsien angeraten, insbesondere wenn die Ernährungsumstellung nicht zu einem angemessenen Nachlassen der Symptome führt. In den allermeisten Fällen liegt ein ungenügendes Ansprechen an Ernährungsfehlern, aber bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten tritt tatsächlich auch selbst bei vollständigem Verzicht auf Gluten keine Verbesserung ein. In diesem Fall sind weitere Untersuchungen durch einen Facharzt notwendig.

Weitere diagnostische Erwägungen

Die signifikante Reduzierung der Symptome bei einer strengen glutenfreien Diät ist ein wichtiger Aspekt für die Diagnose. Verbessern sich die Symptome nicht in angemessener Weise, muss die Diagnostik fortgeführt werden: weitere Biopsien, Stuhltests auf Parasiten, Bluttests auf Infektionskrankheiten inklusive HIV, Test auf Allergien, Atemtests auf Nahrungsmittelintoleranzen und womöglich eine Darmspiegelung. Auch mit Hilfe einer Kapselendoskopie, bei der eine winzige, kapselförmige Digitalkamera geschluckt wird, kann eine Zöliakie entdeckt und andere Krankheiten ausgeschlossen werden. Eine endgültige Diagnose einer Zöliakie jedoch ist mit dieser Methode nicht möglich, da keine Gewebeproben entnommen werden können.

Zöliakiepatienten leiden häufig an Begleiterkrankungen und Mangelerscheinungen (z. B. Vitamine und Mineralien). Regelmäßige fachärztliche Untersuchungen sind unbedingt notwendig.

Die bei einer Zöliakie beobachteten mikroskopischen Veränderungen ähneln manchmal denen anderer Erkrankungen, wie Infektionen. Im Zweifelsfall sollten solche Krankheiten durch weitere Tests ausgeschlossen werden.

Es wird angenommen, dass eine wesentliche Anzahl von Zöliakiefällen nicht erkannt werden. Aus diesem Grunde sollten neben Personen mit Beschwerden auch weitere hoch-Risiko Gruppen auf Zöliakie untersucht werden. Diese betrifft symptomatische Verwandte von Patienten mit einer bekannten Zöliakie, Personen mit einer Eisenmangelanämie, einer schweren oder vorzeitigen Osteoporose, Diabetes mellitus Typ 1, gewissen typischen Haut-, Leber-, Nerven- oder Schilddrüsenerkrankungen, sowie genetischen Syndromen (z.B. Down’s oder Turner’s). Eine genau Anamnese, inklusive Nahrungsmittelreaktionen und Famiiengeschichte, sind immer wichtig.

Behandlung

Die Behandlung erfolgt durch den konsequenten und lebenslangen Verzicht auf Gluten.

Dies erfordert die langfristige Unterstützung durch einen Ernährungsberater, sowie medizinische Überwachung. Weizen, Roggen und Gerste müssen vollständig vom Essensplan gestrichen werden; hierbei muss auch auf verstecktes Gluten in Lebensmitteln, Getränken und Medikamenten geachtet werden. Haferflocken sind glutenfrei, können jedoch während des Herstellungsprozesses mit Gluten kontaminiert werden. Von den meisten Patienten werden sie vertragen. In vielen Ländern ist mittlerweile eine Reihe von glutenfreien Lebensmitteln erhältlich und Selbsthilfegruppen bieten hilfreiche Unterstützung und Informationsquellen (Siehe Links unten). Die Bezeichnung ‚glutenfrei‘ bedeutet, dass der Glutengehalt unter einer von der Regierung definierten Grenze liegt. In manchen Ländern werden die nötigen speziellen Lebensmittel subventioniert.

Wenn die Krankheit stabil ist und die Ernährungsumstellung ohne Probleme verläuft, sind jährliche Nachuntersuchungen bei dieser multi-organ Krankheit unbedingt notwendig. Der Arzt sollte die Funktion des Dünndarms überprüfen (volles Blutbild, Ferritin, Folsäure, Vitamin B12, Kalzium, alkalische Phosphatase) und assoziierte Erkrankungen ausschließen (Schilddrüsenfunktion, Blutzuckerspiegel, Leberwerte). Vitamin- und Mineralzusätze sind häufig notwendig. Die Einhaltung der glutenfreien Ernährung sowie der Krankheitsverlauf sollten regelmäßig durch Bluttests auf Antikörper (z. B. Anti-Transglutaminase Antikörper) oder Biopsien des Dünndarms überprüft werden. Ziel der Diät ist ein Symptom- und Entzündungs- (Dünndarm) freiheit zu erreichen. Zwischen 57-76% von Patienten erreichen keine vollständige Abheilung von Entzündung in den Dünndarm Gewebsproben.

Bei strenger Einhaltung der Diät sowie gutem Ansprechen darauf, können viele der potentiellen Komplikationen der Krankheit verhindert werden. Wegen des vermehrten Vorkommens einiger Krebsarten und Autoimmunerkrankungen sind jedoch regelmäßige Nachuntersuchungen unbedingt empfohlen. Eine Verbesserung der Symptome kann bereits zwei Wochen nach Beginn der Ernährungsumstellung beobachtet werden, und die Antikörper können innerhalb von 3-12 Monaten normalisieren. Eine sekundäre Laktoseintoleranz verschwindet häufig mit der Zeit von selbst.

Zeigt die glutenfreie Ernährung keine Wirkung, liegt das meistens an Ernährungsfehlern; bei ca. 4-30% der Patienten allerdings kann trotz strenger Diät keine Symptomfreiheit (‚non-responsive Zöliakie‘) oder Normalisierung der Villi in den Gewebsproben (refraktäre Zöliakie) erreicht werden. In diesem Fall ist eine weitere diagnostische Abklärung erforderlich. Eine non-responsive Zöliakie kommt in zwei Formen vor (T-Zell Charakteristika) und kann manchmal mit Steroiden oder Immunsuppresiva behandelt werden.

Gegenwärtig umstritten sind die Notwendigkeit einer glutenfreien Ernährung bei asymptomtischen Patienten, die positiv auf Zöliakie getestet wurden, die in Lebensmitteln erlaubte Maximalmenge Gluten, mit der das Lebensmittel als ‚glutenfrei‘ bezeichnet werden darf, sowie die Interpretation von Getreide- oder Glutensensibilität ohne Hinweis auf eine Zöliakie. Hier sei bemerkt, dass nicht alle Getreideintoleranzen eine Zöliakie bedeuten (Nicht-Zöliakie-bedingte Glutenintoleranz). Bei nicht eindeutigen Symptomen sollten auch Allergien und Intoleranzen gegen andere Getreidesorten in Betracht gezogen werden, wie z.B. die Weizenallergie, die IgE-vermittelt und häufig Anstrengungs-induziert ist, sowie die verbreitete Fruktanintoleranz.

Verschiedene neuartige Therapien werden getestet, u.a. die Entwicklung von genetisch verändertem Getreide ohne die entsprechenden Proteine, Erzeugung einer Immuntoleranz, Tight-Junction-Modulatoren, sowie die Einnahme von Ergänzungsmitteln zur Verdauung der entsprechenden Proteine.

Links zu Literatur und Selbsthilfegruppen